1. Im Falle von Natrium sind wir ein Opfer unserer Evolution 
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Millionen von Jahren lebten wir sehr salzarm

Um die Versorgung mit seltenen, aber lebensnotwendigen Mineralien zu sichern, kann der Körper entweder

  • die Geschmackssinne sensibilisieren,
  • er kann sie wiederverwerten
  • oder sich einen Vorrat anlegen.

* Um Salzverluste zu minimieren, kann die Niere salzhaltige Harnbestandteile in den Nierenkanälchen herausfiltern, sodass sie dem Körper wieder zur Verfügung gestellt werden können. Auch Schweißverluste kann der Stoffwechsel verringern, was z. B. für Spitzensportler und Menschen in sehr heißen Gebieten wichtig ist.
  • Daher haben wir spezielle Salzrezeptoren auf der Zunge, die eine positive Rückkopplung auslösen, wenn wir Salzhaltiges zu uns nehmen.
  • Die Nieren sind zusätzlich in der Lage, Salz zurückzuhalten*
  • In der der Haut und Muskulatur kann es für „Notzeiten“ gespeichert werden.


Seit etwa 30 Jahren leben wir im absoluten Salzüberfluss

  • Genveränderungen in so kurzer Zeit sind in der Natur nicht vorgesehen.
  • Auf die 5- bis 10-fache Salzmenge ist der Stoffwechsel deshalb oft nicht eingestellt.

Der Mediziner nennt dies Salzsensitivität, und die Folge ist, dass der Organismus vieler Menschen bereits in jungen Jahren sowohl mit der Einlagerung als auch mit der Ausscheidung von Salz überfordert ist.

Eine wichtige sekundäre Ursache liegt im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System

Einfacher ausgedrückt: Der Körper möchte jedes überflüssige Natriummolekül möglichst schnell wieder loswerden, da es sonst zu Störungen des Wasserhaushalts, des Säuren-Basen-Gleichgewichts und der Blutdruckregulation führt. Gesteuert wird die Natriumausscheidung vor allem über Hormone, renale (der Niere betreffende) Nerven und den Blutdruck (ein höherer Blutdruck beschleunigt die Ausscheidung). Das ist bei allen Menschen gleich, allerdings gibt es Menschen, bei denen die Fähigkeit, überschüssiges Kochsalz über die Nieren und den Harn auszuscheiden, eingeschränkt ist. Aber auch wenn die Nierenfunktion in Ordnung ist, kann die Reaktion auf eine bestimmte Kochsalzkonzentration im Blut von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausfallen (z. B. aufgrund von Kaliummangel, Magnesiummangel oder Verschiebungen im Elektrolythaushalt).

Unabhängig vom Auslöser führt eine Salzsensitivität dazu, dass die Natrium- und die Wasserkonzentration im Körper zu hoch sind, was vielfältige Störungen im Stoffwechsel bewirkt.

Beispiel Bluthochdruck:

  • Der Blutdruck steigt bei salzsensitiven Menschen um bis zu 30 %.
  • Salzresistente Menschen reagieren dagegen auf eine zu hohe Salzzufuhr überhaupt nicht,
    oder der Blutdruck steigt nur geringfügig an (maximal 10 %).
  • Je nach Expertenschätzung sind 30-60 % aller Personen mit einem höheren Blutdruck salzsensitiv (bei diesen Menschen wirkt eine Kochsalzreduzierung oft von einem Tag auf den anderen).
  • Es reagieren auch 20-30 % der Menschen mit normalem Blutdruck (normotensiv) sensitiv auf Kochsalz und gefährden dadurch u. a. ihre Nieren- und Knochengesundheit.

Obwohl die Salzsensitivität ein eigenständiger Risikofaktor für viele Krankheiten ist, gibt es keine Vorsorgeuntersuchung ob jemand davon betroffen ist. Deshalb ist eine Einschätzung, ob man durch Kochsalz besonders gefährdet ist oder nicht, oft nur anhand von Risikofaktoren möglich.

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2. Ursachen, Co-Faktoren und Hinweise für eine Salzsensitivität

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Mögliche Auslöser:

  • zu niedriges bzw. relativ hohes Geburtsgewicht
  • ständig überhöhter Salzkonsum
  • Diabetes
  • Nieren-, Herz- und Leberinsuffizienz
  • Übergewicht und metabolisches Syndrom
  • Lebensalter (ältere Menschen werden in der Regel salzempfindlicher)
  • Behandlung mit Hemmstoffen, die auf das Renin-Angiotensin-System (RAS) einwirken (RAAS-Hemmstoffe, Beta-Blocker, ACE-Hemmer)

Außerdem gibt es hormonell bedingte Faktoren wie

  • Verschiebungen im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System*
  • Schwangerschaft
  • Menopause
  • Dauerstress
  • Kaliummangel
  • Taurin – neben Koffein und Zucker einer der Hauptbestandteile vieler Energy-Drinks; kann bei gleichzeitiger Zufuhr großer Mengen Salz zu einer Salzvergiftung (Hypernatriämie) führen (gestestet im Tierversuch)
  • geringe Trinkmenge, dehydrierende Getränke wie z. B. Alkohol

* dies bedeutet ein niedriger Reninspiegel (Low-Renin-Hypertension) bzw. Hyperaldosteronismus, bei dem vermehrt das Steroidhormon Aldosteron gebildet wird; als Folge kommt es zu einer erhöhten Ausscheidung von Kalium, während die Natrium- und die Wasserausscheidung sinken

Warnzeichen sind:

  • Bluthochdruck
  • wenn das Therapieziel – niedriger Blutdruck – trotz Medikamentengabe nicht erreicht wird
  • wenn nachts der Blutdruck nicht sinkt
  • genetische Faktoren wie z. B. schwarze Hautfarbe und positive Familienanamnese in Hinsicht auf Bluthochdruck und geringe Nierenleistungsfähigkeit
  • hohe Geschmacksschwelle für Kochsalz (ohne große Zusalzmengen schmeckt kein Essen)
  • Veränderungen des Augenhintergrundes
  • Schwellung der linken Herzkammer
  • eine hohe Albuminausscheidung bzw. niedrige Kreatinin-Clearance (Nierenfunktions-Test)
  • Wasseransammlungen im Gewebe (Ödeme)
  • Auffälligkeiten im EKG

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3. Wichtig! Nicht nur Salzsensitive sind betroffen!
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Im Juni 2010 begann das Kooperationsprojekt „Mars500“ der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos und der Europäischen Weltraumbehörde ESA. Bei dem Experiment schliefen und arbeiteten sechs Kosmonauten 520 Tage lang ohne Unterbrechung in einem Isolationscontainer um eine Mars-Mission nachzuahmen. Während des gesamten Zeitraums herrschten Erdbedingungen, das heißt, die fehlende Schwerkraft oder eine erhöhte Strahlenbelastung wurden nicht simuliert.

Unter Federführung der Universität Erlangen-Nürnberg und des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin wurde überprüft, welche Auswirkungen die schrittweise Reduktion von 12 Gramm Kochsalz täglich auf 9 und zuletzt auf 6 Gramm hat.

Der Vorteil dieser Studie sind die exakte Einhaltung der Ernährungsvorgaben, der lange Untersuchungszeitraum und die besonders gute Kontrollierbarkeit auf Salzausscheidung, Trinkmenge, Flüssigkeitshaushalt, Knochenauf- und abbau und den Blutdruck.

Die Studie endete im November 2011. Eine erste Bilanz von Prof. Dr. Jens Titze: „Langfristiger Kochsalzkonsum erhöht den Blutdruck stärker als gedacht.“ Das heißt aber auch, dass sich selbst bei durchtrainierten Kosmonauten der Blutdruck in Abhängigkeit von der Salzzufuhr verschlechtert oder verbessert. Ein weiteres Resümee von Dr. Titze:

zitat_b_50„Sollten sich diese Befunde bestätigen, kann man davon ausgehen, dass sich durch Veränderung des Kochsalzgehalts in den Lebensmitteln nicht nur der Blutdruck von Patienten mit Bluthochdruck, sondern auch bei der Gesamtbevölkerung positiv beeinflussen lässt.“

Ein Fallbeispiel zeigt, wie drastisch sich eine Salzsensitivität auswirken kann. Eine 58-jährige Patientin nahm 6 x täglich 500 mg Paracetamol ein. Zunächst in Tabletten-, dann in Brausetablettenform. Letztere enthielten als „Beigabe“ insgesamt 2562 mg Natrium, was einer Kochsalzmenge von 6,5 g/Tag entspricht. Als Folge kann es zu einem Blutdruckanstieg bis auf 210/110 mmHg. Als die Patientin wieder auf natriumfreie Paracetamol-Tabletten umstieg, wurde sie sofort wieder normoton ( ≤ 140/90 mmHg).
Ohne Zweifel ist die Reaktion auf den Salzgehalt in der Ernährung dennoch individuell unterschiedlich. Salzsensitive reagieren sofort mit negativen Stoffwechselveränderungen, Salzresistente kaum oder nur bei sehr hohen Dosen. Jetzt kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass eine allgemeine Empfehlung zur Salzreduktion nicht nötig ist. Leider gibt es nur ein Problem: Anders als beim Blutdruck oder beim Cholesterinspiegel gibt es keinen Standardtest, mit dem man eine Salzsensitivität feststellen könnte. Im Klartext heißt das: 50 % der Bluthochdruckkranken und 20 % derjenigen, die (noch) einen normalen Blutdruck oder keine Veränderung der Nierentätigkeit haben, sind davon betroffen, ohne es zu wissen.

Wie und wo man eine Salzsensitivität testen lassen kann, wird in nächsten Kapitel besprochen.

Copyright, Layout, Text, Grafik: Claus Barta

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Quellenangaben