Kapitel 6: Folgen von Kochsalzmangel und kritische Studien zur Salzreduzierung
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Das gibt es auch: krank durch zuwenig Kochsalz


1. Folgen eines Natriummangels

 

Für gesunde Menschen liegt der tägliche Salzbedarf zwischen 1,5 und 6 Gramm. Es ist zwar richtig, dass Naturvölker, die keinen Zugang zu Salz hatten, mit noch geringeren Mengen auskommen; aber nur, weil ihre Notprogramme besonders gut funktionieren. Ihr Schweiß enthält weniger Natriumanteile, und sie nutzten das vorhandene Angebot effektiver. Wie in allen anderen Bereichen des Lebens auch gibt es deshalb auch hier ein individuell vernünftiges oder erforderliches Maß.

Folgen eines Natriummangels können u. a. sein:

  • zu geringe Natriumkonzentrationen (Hyponatriämie) im Blut
  • Abnahme des Blutvolumens
  • Störungen im Wasserhaushalt und im Herz-Kreislauf-System
  • Nierenprobleme
  • negative Veränderungen im Eiweiss-, Fett- oder Glucosestoffwechsel
  • abnehmende mentale Kraft, Hirnleistungs- und Nervenstörungen wie Kopfschmerzen, Persönlichkeitsveränderungen, Verwirrtheit, nachlassende Konzentration und Merkfähigkeit, Gangunsicherheit, Unwohlsein, Schwäche, Krämpfe
  • Störungen im Wasserhaushalt

Chlorid-Ionen für die Magensäure

Speisesalz besteht aus den Elementen Natrium und Chlorid. Die Chlorid-Ionen benötigen wir zur Bildung von Salzsäure, die wiederum Teil der Magensäure ist. Sie hat zwei wesentliche Aufgaben: sie tötet krankmachende Keime ab, und sie schafft ein optimales Milieu für die Vorverdauung und die Zerlegung von Eiweiß. Eine streng kochsalzarme Diät, bei gleichzeitig hohen Eiweißmengen durch die Zufuhr von Fleischprodukten, Proteinshakes oder anderen eiweißreichen Lebensmitteln, kann deshalb zu Verdauungsproblemen und Nahrungsmittelunverträglichkeiten führen.

Natrium-Ionen für die Entsäuerung

Ständig müssen Nahrungsmittel- oder Stoffwechselsäuren durch Basen wie Natrium oder Kalium gebunden werden. Dadurch entstehen im Blut Natrium- bzw. Kaliumsalze, die über den Urin ausgeschieden werden. Auch braucht der Stoffwechsel derlei Elemente für die basenliebenden Organe Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse und Dünndarmdrüsen, um den pH-Wert regulieren zu können.[188. Thomas Feichtinger, Elisabeth Mandl, Susana Niedan-Feichtinger, Handbuch der Biochemie nach Dr. Schüßler. Grundlagen, Materia medica, Repertorium, Haug Verlag (2006), S. 307.]

Natriumverlust durch Krankheit bzw. Medikamente

Mineralien nutzen sich nicht ab, und sie werden auch nicht durch Stoffwechselfunktionen verbraucht. Es kann aber ein Mehrbedarf durch Krankheiten oder durch Verluste über die Ausscheidungsorgane entstehen.

Was fördert ein Defizit?

  • Eingeschränkte Nierenfunktion und Unterfunktion der Nebennierenrinde (Mangel an Aldosteron)
  • Mangel an Vitamin D (wenig Sonnenlicht)
  • Appetitmangel
  • Übersäuerung von Blut und Gewebe
  • schwerwiegende Verletzungen, Verbrennungen und Operationen
  • Dauereinnahme von Magensäure-Blockern sowie entwässernde und natriumreduzierende Medikamente
  • Erkrankungen, die von Fieber, längerem Schwitzen, Erbrechen oder Durchfall begleitet sind

Vorsicht bei zu niedrigen Trinkmengen

Senioren sind davon besonders betroffen. Je älter der Mensch wird, desto geringer wird der Wasseranteil im Körper. Entwässernde Medikamente und eine geringe Trinkmenge verschlimmern die Austrocknung. Das kann zu Störungen im Salz- und Wasserhaushalt und niedrigem Blutdruck führen. Dadurch werden das Gehirn und die Zellen mit weniger nähr- und sauerstoffreichem Blut versorgt. Deutliche Anzeichen hierfür sind Müdigkeit, Schwindel oder Ohnmachtsneigung.

Nicht nur Wasser-, sondern auch Natriummangel kann dabei eine Rolle spielen. Damit Körperwasser überhaupt in die Blutbahnen gelangt, ist Natrium als „Zugpferd“ nötig. Es verdünnt dadurch das Blut, fördert die Fließeigenschaften und damit die Durchblutung.

Vorsicht auch bei sehr hohen Trinkmengen

Bei angepasster Kochsalzzufuhr entfernt Salz überflüssiges Wasser aus dem Blutkreislauf. Der Vorgang ist recht einfach: Der Körper scheidet Natrium aus, und das Wasser folgt dem Natrium. Eine extrem salzarme Ernährungsweise und die Empfehlung, sehr viel mineralstoffarmes Wasser zu trinken, passen deshalb nicht zusammen. Der Verlust hoher Mengen an mineralhaltigem Schweiß verschärft das Problem noch. Diese Kombination findet man des Öfteren bei Extrem-Ausdauersportarten.

Ein Anzeichen dafür, dass Wasser im Gewebe zurückgehalten wird, ist eine im Vergleich zur Trinkmenge zu geringe Urinmenge. Das kann zu Ödemen führen, und bei Lungen- oder Hirnödemen ist es sogar lebensgefährlich.

Auch in diesem Zusammenhang müssen ältere Menschen vorsichtig sein. Hohe Trinkmengen und eine sehr salzarme Ernährung oder eine intravenöse Wasserzufuhr im Krankenhaus ohne Elektrolytgabe sind eine gefährliche Kombination. Verwirrtheit, unsicherer Gang mit erhöhter Sturzgefahr, Müdigkeit, Muskel- und Nervenprobleme, Konzentrationsschwäche, Nervosität, höheres Schlafbedürfnis oder Schwindel sind häufige Symptome.

Nehmen Wasservergiftungen zu, wie verschiedentlich behauptet wird?

Richtig ist: Wenn wir sehr viel Wasser trinken und uns extrem salzarm ernähren, fehlt uns Natrium, um das Wasser aus dem Körper zu holen. Im Mittelalter war dies eine beliebte Foltermethode: Man trichterte den Betroffenen innerhalb kürzester Zeit mehrere Liter Wasser ein.

Welche Rolle spielt dies aber im Alltag, und ab welcher Wassermenge wird es für den gesunden Körper gefährlich?

Beantwortet wird dieser kritische Punkt von Prof. Dr. Michael Fromm, dem Direktor des Instituts für Klinische Physiologie an der Charité in Berlin.

  • Über mehrere Tage verteilt: Trinken wir Wasser ohne jegliches Natriumchlorid (z. B. destilliertes Wasser) und nehmen wir auch mit der Ernährung keinerlei Natrium auf, verträgt ein Nieren-gesunder Mensch bei einem Körpergewicht von 70 Kilogramm rein rechnerisch 17 Liter.
  • Bei einer hohen Trinkrate: Nach einer Studie wird es bedenklich, wenn 9 Liter Wasser innerhalb von 7 Stunden getrunken werden.

Schwangere

Schwangeren eine Empfehlung zu geben ist wegen der zahlreichen körperlichen und hormonellen Veränderungen grundsätzlich schwierig. Einerseits gibt es das Problem, dass eine zu hohe Kochsalzzufuhr während der Schwangerschaft zu Bluthochdruck, Ödembildung oder niedrigem Geburtsgewicht führen kann. Andererseits wird eine großzügig bemessene Trinkmenge von 2-2,5 Litern Wasser und damit auch eine adäquate Menge an Natrium für eine stärkere Durchblutung der Organe benötigt. Nur dadurch ist eine ausreichende Versorgung des Fötus mit Nährstoffen und Sauerstoff gewährleistet. Dies sollte auch bei Wassereinlagerungen berücksichtigt werden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese vor allem durch die hormonelle Umstellung entstehen, weshalb eine extrem kochsalzarme Ernährung während der Schwangerschaft nicht mehr empfohlen wird.

Bluthochdruck

Manche Menschen glauben: Wenn ein Zuviel an Salz den Blutdruck erhöht, dann müsste gar kein Salz den Blutdruck doch am stärksten senken. Dass das ein Trugschluss ist, lässt sich leicht erklären. Auch hier spielt die Flüssigkeit in unserem Blutsystem eine Rolle, denn wenn Natrium fehlt, dickt das Blut ein – das wiederum belastet das Herz, weil es gegen einen größeren Widerstand arbeiten muss. Durch den größeren Druck, den es dabei erzeugen muss, steigt der Blutdruck. Außerdem hat Natrium einen Einfluss auf den Neurotransmiter Dopamin, der an der Regelung der Durchblutung des Gehirns, der Bauchorgane und der Niere beteiligt ist.[189. ]

Sexualität

Hierzu gibt es einen Übersichtsartikel der Nephrologen Bernard M. Moinier und Tilman B. Drüeke vom Necker-Hospital in Paris. In der Übersicht werden zahlreiche Beispiele aufgeführt, die einen engen Zusammenhang zwischen Salz und Sexualität vermuten lassen. Diese reichen bis in die ägyptische Zeit zurück, in der sich Priester durch Salzrestriktion ihre Keuschheit bewahrten. Auch neuere Tierversuche lassen darauf schließen, dass Salz die sexuelle Aktivität, die Erektionsfähigkeit und die Fruchtbarkeit anregt. Daran erinnert auch das Sprichwort: „Ist die Suppe versalzen, ist der Koch / die Köchin verliebt.“

* Dopamin ist ein Neurotransmitter, der vor allem als „Glückshormon“ bekannt ist, aber auch an vielen hormonellen und körperlichen Vorgängen wie Sexualität, Nierenfunktion und der Durchblutung der Bauchorgane beteiligt ist. 
Tatsächlich kann Salz wie ein Aphrodisiakum wirken, da Natrium nachweislich einen Einfluss auf das Dopamin-System* hat. In negativem Sinne entsteht dadurch bei einer ständig hohen Salzzufuhr ein suchtartiges Verlangen. Im positiven Sinn aktiviert Dopamin nach den Pariser Wissenschaftlern viele hormonelle Vorgänge, die z. B. die sexuelle Attraktivität des Partners erhöhen, die Erektion fördern und in der Schwangerschaft die Milchproduktion und das Brustwachstum steuern.

 

Auch bei unerfülltem Kinderwunsch spielt es eine Rolle, denn Dopamin hemmt die Prolaktinausschüttung, was zu unregelmäßigen Menstruationszyklen und ausbleibendem Eisprung führen kann.

Ein chronischer Dopaminüberschuss kann allerdings Erschöpfung und Müdigkeit auslösen.

* Dopamin ist ein Neurotransmitter, der vor allem als „Glückshormon“ bekannt ist, aber auch an vielen hormonellen und körperlichen Vorgängen wie Sexualität, Nierenfunktion und der Durchblutung der Bauchorgane beteiligt ist.

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2. Warum pauschale Empfehlungen sind

 

Wer Empfehlungen wie, „bei älteren Menschen ist die Salzreduzierung riskant“ gibt, bewegt sich auf ganz dünnem Eis.

Kochsalzaufnahme der Nationalen Verzehrstudie II

tägliche
Kochsalzaufnahme in g

Männer

 

51-64 Jahre

8,5

65-80 Jahre

7,8

Frauen

51-64 Jahre

6,4

65-80 Jahre

6,0

Rechnet man zu diesen Zahlen noch die nichtberücksichtigten Mengen wie das Zusalzen hinzu, konsumieren ältere Menschen im Durchschnitt nicht zu wenig, sondern deutlich zu viel Kochsalz.

Dennoch können eine geringe Nahrungsaufnahme, Medikamente und chronische Krankheiten zu einem Mineralienmangel führen. Die Empfehlung, auf eine ausreichende Natriumzufuhr zu achten, ist deshalb unter Umständen richtig, aber nur zu empfehlen „Nehmen Sie ausreichend Kochsalz zu sich“ ist ungefähr so, als wollte man einen Schwerverletzten ausschließlich mit Schmerztabletten behandeln.

Wenn ältere Menschen an Natriummangel leiden, geht dies fast immer mit einem allgemeinen Mineralienmangel einher. Ein natürliches Speisesalz, das mit Kalium und Magnesium angereichert ist, ist deshalb die wesentlich bessere Option.

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3. Zusammenfassung

 abstandMuss man wirklich wegen individueller Fehler Einzelner die Allgemeinbevölkerung mit hohen Kochsalzmengen vorbeugend „behandeln“? Kochsalz wird im Alter oder bei bestimmten Belastungen nicht vom Saulus um Paulus. Sicherlich kann es vereinzelt Defizite geben, aber ohne eine therapeutische Abklärung ist eine korrekte Einschätzung nahezu unmöglich. Dagegen benötigt auch ein alter Mensch nie mehr als sechs Gramm Kochsalz, und eine Reduktion auf diese Menge kann die Gefahr für Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, Osteoporose oder Nierenprobleme deutlich senken.

Wer ist durch eine extrem salzarme Kost gefährdet:

  • Wer stark schwitzt (z. beim Sport) und gleichzeitig sehr viel Wasser trinkt.
  • Personen, die eine eiweißreiche Ernährung bevorzugen.
  • Kranke Menschen mit einem hohen Mineralienbedarf bzw. erhöhter Mineralienausscheidung.
  • Fastende, die zur Entgiftung sehr viel mineralarmes Wasser zu sich nehmen.
  • Menschen, die durch eine Nierenschwäche oder Nierenkrankheit Natrium nicht mehr in ausreichender Menge im Körper halten können.
  • Die Kombination aus längeren Hitzeperioden bzw. mangelnder Flüssigkeitsaufnahme und erhöhter Natriumausscheidung durch Medikamente, Durchfall etc.

Es gilt daher, nicht einfach Salz wegzu­lassen, sondern den Körper nicht mit Speisesalz zu überfrachten.

Wichtig! Auch für das beste Natursalz gilt: „Die Menge macht das Gift“

Völlig unraffiniertes Natursalz enthält noch andere Mineralien und kommt deshalb unseren Stoffwechselbedürfnissen wesentlich mehr entgegen als herkömmliches Speisesalz. Das darf aber nicht dazu führen, dass man sich tagsüber salzreich ernährt und abends zusätzlich eine Soletrinkkur macht. Dann wird auch das gesündeste Salz zum Gift.

Faustregel: In den allerseltensten Fällen benötigt der Mensch mehr als 5 Gramm Speisesalz am Tag.

Copyright, Layout, Text, Grafik: Claus Barta

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Quellenangaben